Praxis:Nah 02/2025 – Einblick in gelingende Senior:innenarbeit

Mit zunehmendem Alter steigt der Anteil alleinlebender Personen – insbesondere bei Frauen ab dem 50. Lebensjahr (BiB o.J.). Gleichzeitig bewohnte etwa ein Viertel der alleinlebenden Menschen 65 Jahre und älter im Jahr 2022 in Deutschland eine Wohnfläche von mindestens 100 Quadratmetern und war Eigentümer:in der jeweiligen Immobilie (Destatis 2023; Hoffmann et al. 2021). In Großstädten hat sich die Mietkostenbelastung in den vergangenen Jahren deutlich erhöht (Herwegen et al. 2024). Besonders stark betroffen sind Studierende, die im Jahr 2023 im Durchschnitt über die Hälfte ihres verfügbaren Haushaltseinkommens für Wohnkosten aufwenden mussten (Destatis 2024). An diesen Herausforderungen setzt das innovative Konzept „Wohnen für Hilfe – Wohnpartnerschaften in Köln“ unter dem Motto „Gemeinsam wohnen, den Alltag erleichtern!“ an und bringt Menschen mit freiem Wohnraum und Studierende auf sinnvolle Weise zusammen.

Wer ein Zimmer oder eine andere Wohnmöglichkeit an Studierende im Gegenzug für Hilfeleistungen zur Verfügung stellen möchte, wendet sich an die Projektkoordinatorinnen von Wohnen für Hilfe. Die Faustregel: Für jeden Quadratmeter Wohnfläche wird eine Stunde Hilfe pro Monat geleistet – von Unterstützung im Alltag über Gartenarbeit bis hin zur Einkaufshilfe ist vieles möglich und wird individuell vereinbart. Pflegeleistungen sind dabei ausgeschlossen. Die Nebenkosten wie Strom, Wasser und Heizung werden von den Studierenden zusätzlich übernommen.
Seit mehr als 15 Jahren wird Wohnen für Hilfe erfolgreich in Köln umgesetzt: So wurden bis Juni 2025 bereits über 1000 Wohnpartnerschaften vermittelt. Dabei profitieren beide Seiten: Wohnraumanbietende – häufig ältere Menschen – erleben Gesellschaft und Unterstützung im Alltag, während Studierende günstigen Wohnraum finden. Einsamkeit wird so generationenübergreifend aktiv entgegengewirkt und der soziale Austausch gefördert. Der Erfolg des Projekts basiert v.a. auf verlässlichen Rahmenbedingungen. Dazu zählen insbesondere eine dauerhaft finanzierte Planstelle und ein engagiertes Team professioneller Koordinator:innen. Sie stehen den Beteiligten beratend zur Seite und begleiten die Partnerschaften während der gesamten Dauer. Zudem sind die Seniorenberatung, die Seniorennetzwerke und die Seniorenvertretung der Stadt Köln als wichtige Multiplikatorinnen eingebunden. Ressourcen wie eine solide Finanzierung, Fahrt- und Werbekosten sowie geeignete Räumlichkeiten mit entsprechender Ausstattung sind essenziell für den nachhaltigen Erfolg. Die bisherigen Erfahrungen zeigen: Nur mit langfristiger finanzieller Absicherung lässt sich das Projekt dauerhaft wirksam gestalten.
Das Konzept ist jedoch auch auf ländliche Regionen übertragbar. Hierzu wird von Projektmitarbeitenden empfohlen, den Kreis der Teilnehmenden über Studierende hinaus zu öffnen, um auch anderen Interessierten Wohnpartnerschaften zu ermöglichen.
Kriterien für gelungene Praxis – Zugang, Durchführung und Transfer*

Wie die Angebote und Leistungen im Wirkungsbereich der Arbeit mit und für ältere Menschen in Deutschland erweisen sich auch die Kriterien für gelungene Praxis als vielfältig. Sowohl für bereits langjährig tätige Akteur:innen als auch Neueinsteiger:innen haben Köster et al. (2008) in diesem Sinne 12 Qualitätsziele (QZ), eingebettet in die drei Qualitätszieldimensionen: Zugangs-, Durchführungs- und Transferqualität formuliert, die Akteur:innen in ihrer Arbeit eine Orientierung bieten.
Im Rahmen des Zugangs fragen die zugehörigen QZ nach der Ausarbeitung einer zielgruppenspezifischen und gegenüber Lebenslagen sensiblen Ansprachestrategie für ein Angebot oder eine Leistung eines Akteurs. In der Dimension Durchführung werden anschließend Fragen nach Selbstbestimmung und Mehrwert für Angebotswahrnehmende und dessen nachhaltige Sicherung gestellt. Im Transfer geht es dann darum, Gelerntes aus der Anwendungsfähigkeit und -praxis sowie den Nutzen zu reflektieren.
Die einzelnen Qualitätsziele dienen dabei als Instrumente das individuelle Leitbild der Akteur:innen zu sichern. Aus diesem Grund gilt auch nicht „Je mehr, desto besser“. Qualitätsziele dienen dazu eine Stimmigkeit und Begründetheit der Angebote und Leistungen mit dem Leitbild der Akteur:innen prozessual (wieder-)herzustellen. Akteur:innen stellen sich im Rahmen der Qualitätsziele also Reflexionsfragen, was für ihr jeweiliges Angebot oder ihre Leistung vor dem Hintergrund des Leitbildes Sinn ergibt und möglich ist.
Zugangsqualität
- Die Vielfalt des Alter(n)s wird in der Ansprachestrategie differenziert betrachtet
- Milieu- und geschlechtsspezifische Unterschiede werden berücksichtigt
- Individuelle Bedürfnis-, Interessen- und Ressourcenorientierung an den Engagierten
- Transparenz, Sichtbarkeit und Vernetzung mit anderen Akteur:innen im Feld
Durchführungsqualität
- Ein verlässlicher Etablierungsrahmen besteht
- Lernherausforderungen und biographie- und beziehungsorientierte Persönlichkeitsentwicklung werden ermöglicht
- Kontakt- und Gemeinschaftsförderung und -etablierung werden gefördert
- Prozesse und Strukturen erfolgen partizipativ (Informations-, Mitwirkungs- und Mitentscheidungsstrukturen)
Transferqualität
- Kompetenz- und ressourcenorientierte Selbstorganisation wird gefördert (Maßnahmen und Projekte, ggf. über Projektrahmen hinaus)
*Unsere Kriterien für gelungene Praxis orientieren sich an den drei Qualitätszieldimensionen: Zugangsqualität, Durchführungsqualität und Transferqualität und ihren jeweiligen Teilbausteinen (Köster et al. 2008; 77ff).
- Kontakt und weitere Informationen

Universität zu Köln
Humanwissenschaftliche Fakultät
Wohnen für Hilfe
Heike Bermond, Sandra Wiegeler
Post: Frangenheimstr. 4, 50931 Köln
Besucheranschrift: Gronwaldstr. 2a, Gebäude 214, R. 1.07
Tel.: 0221-4707933
Web: www.wfh-koeln.de
Literaturhinweise
BiB, o.J.: Altersspezifische Häufigkeit alleinlebender Männer und Frauen in Deutschland (1991 und 2022). Fakten. URL: [BiB – Fakten – Altersspezifische Häufigkeit alleinlebender Männer und Frauen in Deutschland (1991 und 2022)]. Zuletzt aufgerufen am 10.06.2025.
Destatis, 2023: Haushalte der Altersgruppe 65+ haben pro Kopf den meisten Wohnraum zur Verfügung. Pressemitteilung Nr. N 035 vom 14. Juni 2023. URL: [Haushalte der Altersgruppe 65+ haben pro Kopf den meisten Wohnraum zur Verfügung – Statistisches Bundesamt]. Zuletzt aufgerufen am 10.06.2025.
Destatis, 2024: Die Hälfte der Studierenden mit eigener Haushaltsführung hat weniger als 867 Euro im Monat zur Verfügung. Pressemitteilung Nr. N044 vom 28. August 2024. URL: [Die Hälfte der Studierenden mit eigener Haushaltsführung hat weniger als 867 Euro im Monat zur Verfügung – Statistisches Bundesamt]. Zuletzt aufgerufen am 10.06.2025.
Herwegen, S., Flesch, G, & R. Stelten, 2024: Mieten und Wohnkosten. URL: [Mieten und Wohnkosten | Sozialbericht 2024 | bpb.de]. Zuletzt aufgerufen am 10.06.2025.
Hoffmann, E., Lozano Alcántara, S. & L. Romeu Gordo, 2021: >>My home is my castle<<: Verbundenheit mit der eigenen Wohnung im Alter. Datenreport 2021: Ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland. Berlin: Bundeszentrale für politische Bildung. URL [Datenreport-2021-Ein-Sozialbericht-fuer-die-Bundesrepublik-Deutschland.pdf]. Zuletzt aufgerufen am 10.06.2025.
Köster, D., Schramek, R. & S. Dorn, 2008: Qualitätsziele moderner SeniorInnenarbeit und Altersbildung. Oberhausen: ATHENA.