Interview mit der Projektleitung Christine Freymuth und der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Dr. Katrin Alert.
Viele Kommunen stehen aktuell vor großen Herausforderungen in der Daseinsvorsorge. Vor welchem Hintergrund ist das Projekt DavOr entstanden?
Die Rahmenbedingungen für Daseinsvorsorge haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verändert. Kommunen sehen sich gleichzeitig mit dem demografischen Wandel, einem zunehmenden Fachkräftemangel – insbesondere im Pflegebereich – sowie mit wachsenden sozialen Ungleichheiten konfrontiert. Hinzu kommt, dass familiäre und nachbarschaftliche Unterstützungsstrukturen nicht mehr in der gleichen Selbstverständlichkeit tragen wie früher.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass Daseinsvorsorge nicht allein über bestehende institutionelle Zuständigkeiten abgesichert werden kann. Es braucht neue Formen der Zusammenarbeit und ein stärkeres gemeinsames Verständnis von Verantwortung vor Ort. Genau hier setzt DavOr an: Das Projekt fragt danach, wie Daseinsvorsorge lokal, kooperativ und zukunftsfähig gestaltet werden kann – unter Einbezug kommunaler Akteur:innen, zivilgesellschaftlicher Strukturen und informeller Netzwerke.
DavOr knüpft dabei an bestehende Erfahrungen an. Welche Rolle spielt das Forum Seniorenarbeit NRW in diesem Zusammenhang?
Das Forum Seniorenarbeit NRW bildet eine wichtige fachliche und strukturelle Grundlage für DavOr. Über viele Jahre hinweg wurden dort Erfahrungen gesammelt, wie kommunale Akteur:innen unterstützt, vernetzt und in ihrer Arbeit gestärkt werden können. Themen wie Teilhabe, freiwilliges Engagement und die Gestaltung altersfreundlicher Sozialräume stehen seit Langem im Mittelpunkt.
DavOr greift diese Erfahrungen auf und entwickelt sie weiter. Während das Forum Seniorenarbeit NRW einen starken Fokus auf Senior:innenarbeit und Engagementförderung legt, erweitert DavOr die Perspektive auf Fragen der Daseinsvorsorge im Hinblick auf das Zusammenspiel von Pflege, sozialer Infrastruktur, Engagement und kommunaler Steuerung. In diesem Sinne ist DavOr kein Bruch, sondern eine konsequente Weiterentwicklung bestehender Ansätze.
Warum ist es aus Sicht des Kuratoriums Deutsche Altershilfe wichtig, mit DavOr genau hier anzusetzen?
Das Kuratorium Deutsche Altershilfe versteht sich als Impulsgeber, der gesellschaftliche Entwicklungen frühzeitig aufgreift und gemeinsam mit Praxis, Wissenschaft und Politik weiterdenkt. Aus dieser Perspektive ist DavOr besonders relevant, weil das Projekt eine zentrale Frage aufgreift: Wie können gute Lebensbedingungen im Alter unter veränderten gesellschaftlichen Bedingungen gesichert werden?
Dabei geht es nicht nur um Versorgung im engeren Sinne, sondern um soziale Teilhabe, Verlässlichkeit und die Frage, wie Verantwortung zwischen Staat, Kommune, Zivilgesellschaft und Einzelnen fair verteilt wird. Caring-Ansätze bieten hierfür wichtige Anknüpfungspunkte, müssen aber zugleich kritisch reflektiert werden, um Überforderung oder eine schleichende Privatisierung von Verantwortung zu vermeiden. DavOr schafft einen Raum, in dem diese Ambivalenzen bewusst thematisiert werden.
Der Auftakt des Projekts war eine Fachveranstaltung zu Caring Communities. Warum haben Sie sich für diesen Einstieg entschieden?
Die Entscheidung, mit einer Fachveranstaltung zu Caring Communities zu starten, war bewusst getroffen. Caring Communities sind ein zentrales Bezugs- und Arbeitskonzept von DavOr, weil sie den Blick auf das Zusammenspiel unterschiedlicher Akteur:innen und Ebenen lenken. Gleichzeitig ist der Begriff in der Praxis unterschiedlich gefüllt und teils auch mit Unsicherheiten verbunden.
Mit der Veranstaltung wollten wir keinen fertigen Lösungsansatz präsentieren, sondern einen offenen Diskurs ermöglichen. Ziel war es, gemeinsam zu klären, was Caring Communities in unterschiedlichen kommunalen Kontexten bedeuten können, wo ihre Potenziale liegen und wo auch Grenzen sichtbar werden. Der Auftakt sollte damit ein Signal setzen: DavOr versteht sich als dialogisches und lernendes Projekt.
Welche Erkenntnisse haben Sie aus der Veranstaltung und den bisherigen Formaten zur Bedarfserfassung gewonnen?
Ein zentrales Ergebnis ist, dass der Bedarf an Orientierung und Austausch sehr groß ist. Viele kommunale Akteur:innen beschäftigen sich bereits intensiv mit Fragen der Daseinsvorsorge, fühlen sich dabei aber häufig allein gelassen oder mit widersprüchlichen Anforderungen konfrontiert. Gleichzeitig gibt es ein hohes Engagement und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen.
Deutlich wurde auch, wie unterschiedlich die Ausgangslagen vor Ort sind. Während einige Kommunen bereits über tragfähige Netzwerke verfügen, stehen andere noch am Anfang entsprechender Prozesse. Für DavOr bedeutet das, Bedarfe nicht schematisch zu erfassen, sondern kontextsensibel und im Dialog. Diese Erkenntnisse fließen unmittelbar in die Weiterentwicklung der Projektformate ein – ebenso wie in die Arbeit des Forum Seniorenarbeit NRW.
Wie geht es mit DavOr weiter?
DavOr wird die bisherigen Erkenntnisse nutzen, um praxisnahe Unterstützungsangebote weiter auszubauen und zu schärfen. Ziel ist es, Kommunen und lokale Akteur:innen dabei zu begleiten, eigene Wege in der Gestaltung von Daseinsvorsorge zu entwickeln. Dabei bleibt der Anspruch, nicht nur gute Beispiele sichtbar zu machen, sondern auch strukturelle Herausforderungen offen zu benennen und gemeinsam zu reflektieren.
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